Solidus

Geschichte begreifen August 2014

Riemenverteiler vom Kopfzaumzeug eines Pferdes

1. Hälfte 5. Jhdt. n. Chr. / Römische Donauprovinzen
Drei Riemenzwingen mit stilisierten Adlerköpfen um Verteiler.
Rückseite mit Abnutzungsspuren der Ösen und Zwingen.

In den Provinzen des spätrömischen Reiches an mittlerer und unterer Donau entstand nach der Ansiedlung barbarischer Ethnien als Foederaten ein „romano-barbarischer Mischstil“, der das Aussehen kunsthandwerklicher Erzeugnisse dieser Epoche prägte.

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Im Gefolge der römischen Niederlage von Adrianopel (378 n. Chr.) zogen terwingische Goten und verbündete Sarmaten marodierend durch die Balkanprovinzen. Erst mit ihrer Ansiedlung als Foederaten auf Reichsgebiet mit weitgehender Autonomie stabilisierte Kaiser Theodosius die Situation.

Viele Gegenstände der Tracht und des täglichen Gebrauchs der Foederaten, u.a. Fibeln, Gürtelschnallen und Pferdegeschirr, erfuhren dabei im Dekor und der Ausführung durch die Einflüsse provinzialrömischer Handwerkskunst eine neuartige Gestaltung. Hierzu zählen die Verzierung im sogenannten Kerbschnitt, wie er beispielsweise von spätrömischen Gürtelgarnituren bekannt ist, oder die reichhaltige Verwendung von Einlagen aus buntem Glas oder Edelsteinen auf Metallobjekten, die in der Repräsentation von Würdenträgern im spätrömischen Reich eine bedeutende Rolle spielte.

Die Kunstentwicklung im spätantiken Mittelmeerraum setzte dabei im Gegensatz zum klassischen Naturalismus vieler Kunstströmungen in früher und hoher Kaiserzeit verstärkt auf Reduktion und Abstraktion. Die Auflösung organischer Formen mit weichen Übergängen in von harten Kontrasten geprägten Linien oder Feldern ist typisch. Abrupte Wechsel von Licht und Schatten oder Farbfeldern lösen Zusammenhänge auf und verleihen den Objekten eine gewisse „Transparenz“ bzw. „Entstofflichung“.

Vorliegendes Objekt mit seinen stark stilisierten Raubvogelköpfen ist typisch für dieses neue „Kunstwollen“. Die Formen sind auf Umrisse und Flächen reduziert, Kopf und Augen durch verschiedenfarbige Einlagen markiert. Den Hals bzw. Körper der Vögel stellt der dreieckige Rahmen der Riemenzwinge dar, dessen metallischer Glanz im Kontrast zur Farbe des innen sichtbaren Riemens stand. Das Raubvogelmotiv spielt eine wichtige Rolle bei zahlreichen Objekten der Foederaten, die eindeutig barbarischen Ursprungs sind. Diese Bedeutung bleibt auch bei den späteren Reichsgründungen dieser Ethnien auf reichsrömischen Boden erhalten.

Die Abnutzung der Ösen des zentralen Verteilers und der Bögen der Riemenzwingen mit deutlicher Reduzierung der Materialstärke zeugt von der langen Benutzung und Wertschätzung des Gegenstands.

22,9 g / maximaler Durchmesser 77 mm

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